NRZ | Dossier | Heimat am Niederrhein

Kein Problem, geschenkt! Krefeld. An die Geschenke zu Weihnachten kann sich Heinz Webers kaum erinnern. „Die waren nicht größer als die zu Nikolaus“, erzählt der 87-Jährige. Und das meint: Es gab einen „Teller Lecker“, von dem er und seine Geschwister Plätzchen, Äpfel oder Nüsse naschen konnten, und etwas Selbstgestricktes, meist Strümpfe oder Pullis. Ja, so war das eben damals, in den 1930er und 1940er Jahren, am Niederrhein. „Weihnachten war nicht so überladen wie heute“, hält er fest, „und viel stiller.“ Wobei, ein besonderes Geschenk fällt dem Krefelder bei genauerem Überlegen doch noch ein. Acht Jahre muss er gewesen sein, als er den „Großen Brockhaus“ unterm Tannenbaum auspackte. „Aber den einbändigen“, fügt er schnell hinzu. „Das war für mich eine Sensation!“ Denn während er das Lexikon durchblätterte, von einem Stichwort zum nächsten Eintrag flog, erschloss sich ihm plötzlich eine ganz neue Welt. Hat sich damals etwa schon abgezeichnet, dass er selbst einmal Bücher schreiben würde? Heinz Webers erzählt in seinem Buch „Wie es früher war“ von alten Bräuchen am Niederrhein - und über welche Überraschung er sich als Kind gefreut hat. Wie es früher war Heinz Webers: „Wie es früher war. Feste und Bräuche aus Krefeld und vom Niederrhein“, Seidenweber- bücherei Krefeld, 9 Euro. Mehr Infos: www.krieewelsch.de Heinz Webers zuckt mit den Schultern und lacht: „Vielleicht.“ Zumindest aber zeigt es, dass er schon immer wissbegierig war. Und nicht nur das, seine Erkenntnisse wollte er auch gern an andere weitergeben. Deshalb wurde er Dozent am kommunalen Studieninstitut, unterrichtete dort bis er 70 Jahre alt wurde. Was aber sollte er als Pensionär mit seiner freien Zeit anstellen? „Da habe ich angefangen zu schreiben.“ Zunächst beschäftigte sich der Krefelder mit der Mundart, immerhin ist er als Kind mit dem Dießemer Platt groß geworden. Auch, wenn seine Mutter ihm später noch einzutrichtern versuchte: „Sprich ördenlich!“ Sonst wird aus dem Jungen ja nie etwas… Was sie wohl zu seinem Buch über Schimpfwörter gesagt hätte? Getreu dem Titel vielleicht: „Dou alden Doll!“, also „Du Tunichtgut!“ Aber weil Heinz Webers ganz bestimmt kein „Pruumestrieker“, also kein „Schönredner“ ist, kann er offen zugeben: „Immer weniger sprechen Mundart.“ Deshalb hat er nun VON SARA SCHURMANN seinen Forschungsschwerpunkt aufs Brauchtum gelegt. In diesem Zuge ist auch sein kleines Büchlein „Wie es früher war. Feste und Bräuche aus Krefeld und vom Niederrhein“ entstanden. Von Neujahr bis Silvester Mit rund 100 Festen hat sich der Krefelder beschäftigt, hat dazu Literatur gelesen und Freunde befragt. Einiges hatte er selbst schon wieder vergessen – wie hieß denn nochmal dieser Baukasten, den sich die Jungen zu Weihnachten wünschten? Da kann seine Frau Marianne einspringen: „Trix!“ Und bei den Mädchen, fügt sie hinzu, verschwanden kurz vor dem Fest die Puppen: „Die Mütter nähten Kleider, die sie ihnen dann direkt anzogen.“ Frauen bekamen Anziehsachen oder Schmuck, Männer SOS. „Socken, Oberhemden, Schlips“, erklärt Heinz Webers. Allerdings gab’s die Geschenke nicht schon an Heiligabend, sondern am 25. Dezember. Dann erst erstrahlten auch die Tannenbäume, dann erst gab’s den „Teller Lecker“ und die wenigen Geschenke. Und heute? „Wir mussten immer sparsam sein und bei Geschenken bin ich es immer noch“, sagt er. Und so verlegt der Krefelder seinen Weihnachtseinkauf immer auf Anfang Januar, wenn die Läden wieder mit Schnäppchenpreisen locken. Die Geschenke versteckt er anschließend im Keller. „Ich kann zum Glück gut schweigen“, sagt er. Deshalb verrät er auch nicht, welche Überraschung er schon längst für seine Frau besorgt hat. Nicht schlimm – oder, wie der Niederrheiner oder die Niederrheinerin gern sagt: „Kein Problem, geschenkt!“ Foto: Kai Kitschenberg / FFS Typisch Niederrhein 3

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