75 Jahre WP | Jubiläumsausgabe
SAMSTAG | 26. JUNI 2021 Von Hubertus Heuel Düsseldorf/Hagen. Zielfahnder des Landes- kriminalamtes (LKA) NRW suchen nach wie vor weltweit nach Norman Franz. Die Spezialisten wollen unerkannt bleiben, unser Interview, das die WESTFALEN- POST 2017 imLKADüsseldorf führte, wird daher in anonymisierter Form veröffent- licht. Warum fahnden Sie auch nach so vielen Jahren nach Norman Franz? Weil man wohl kaum etwas Schlimmeres über jemanden sagen kann, als dass er fünf Menschen umgebracht hat. Deshalb besitzt die Suche nach Franz für uns nach wie vor einen hohen Stellenwert. In JVA-Kreisen gilt er als Legende. Jeder meint, ihn zu ken- nen oder ihn gesehen zu haben. Wie nähern Sie sich einer Person, die Sie persönlich nie kennengelernt haben? Indem man versucht, alles über ihn zu er- fahren, ihn womöglich besser kennenzuler- nen als er sich selbst – bis hin zu seinen Sehnsüchten und Träumen. So dassman sa- gen kann: Sein Leben imUntergrund könn- te diese Richtung genommen haben. Wir überlegen natürlich auch, welche Eigen- schaften an einem Menschen sich verän- dern und welche er nie wird ablegen kön- nen. Damit hatten Sie bislang nicht viel Erfolg, oder? In den zurückliegenden 18 Jahren haben sich verschiedene Kollegen mit der Causa Franz beschäftigt. Jeder hat eine andere He- rangehensweise, neue Kollegen bringen neue Ansätze mit. Und auch die techni- schenMöglichkeiten haben sich verbessert, die DNA-Analyse ist heute sehr weit fortge- schritten. Was für ein Mensch ist dieser Norman Franz? Ein augenscheinlich unauffälliger Typ mit einer liebenswerten, ruhigenStimme. Einer, der es gut mit Frauen kann. Doch er hat völ- lig irrationale Ausbrüche. Die Wachleute bei seinen Raubüberfällen in Weimar und Halle hätte er nicht niederschießen müs- sen, an die Beute wäre er auch so gelangt. Doch er hat sie kaltblütig ermordet. Wo könnte sich Franz denn aufhalten? Wir gehen davon aus, dass er sich im Aus- land befindet. Sicherlich nicht dort, wo er als Fremder relativ schnell auffallen muss. Es besteht dieMöglichkeit, dass er in einem Portugiesisch sprechenden Land lebt, denn diese Sprache beherrscht er selbst. Da es viele portugiesische Kolonien gab, wird die Sprache in zahlreichen Gegenden auf dem Erdball gesprochen. Einige davon kannten wir vorher selbst nicht. Gibt es weitere Ermittlungsansätze? DerMensch ist einkommunikativesWesen. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch Norman Franz, obwohl er seine wahre Identität völlig abschottet, Kontakt zu anderenMenschen sucht. Die Beziehun- gen nach Deutschland hat er aber höchst- wahrscheinlich allesamt abgebrochen, auch die zu seiner Ex-Frau und seinem Sohn. Aber wir beobachten auch, ob in ir- gendeinemWinkel derWelt einVerbrechen geschieht, das zu seiner Handschrift passt. Bisher war das nicht der Fall. Aber wir rech- nen damit, dass es irgendwann geschieht. Und wenn er längst tot ist? Denkbar wäre das. Aber dafür gibt es nicht einen einzigenBeleg. Deshalb gehenwir da- von aus, dass er lebt, sonst machte unsere Arbeit ja auch keinen Sinn. Die Deutschen sind ja ein reisewütiges Volk: Wer etwas über ihn weiß oder ihn gesehen hat – ob im indischen Aschram, im australischen Out- back oder im Amazonasgebiet –, der kann uns dasmitteilen.Wir gehen jedemHinweis nach. Und die Legende Franz? An diesem Mann ist nichts Romantisches. Er ist und bleibt ein eiskalter Verbrecher, der fünf Menschen ermordet hat. Wir ver- gessen niemanden. Ihn ganz bestimmt nicht. Das Instrument der Freiheit: Norman Franz sägt sich an- geblich mit einem Messer durch die Gitterstäbe. FOTO: MICHAEL KLEINRENSING „Ein augenscheinlich unauffälliger Typ“ S E I T 1 8 J AH R E N J AG E N Z I E L FAHND E R D E S L KA NORMAN F R AN Z Die Ermittler stehen am 15. Mai 1995 an der Stelle im Wannebachtal, wo drei Men- schen in ihrem Auto durch eine Handgra- nate von Haupttäter Norman Franz getötet wurden (oben). FOTO: FRANZ LUTHE FOTOS: LKA (2) KRIMINALFÄLLE, DIE UNS BEWEGEN
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