75 Jahre WP | Jubiläumsausgabe
PBX__NRWTZ_38 SAMSTAG | 26. JUNI 2021 Von Elmar Redemann Arnsberg/Möhnesee. „Vielleicht können wir hier ja bald unter blühendenKirschbäumen entlang- gehen.“ Es klingt wie der Traum vom Märchen- wald, den Anna-Maria Hille da mit einem Lä- cheln schildert, wenn siemit derHandRichtung Schotterweg zeigt. Wer mit der Revierförsterin inmitten der Mondlandschaft unterhalb des Möhneseeturms steht, der braucht tatsächlich eine Menge Fantasie, um diese Kirschblüten-Vi- sion vor seinem geistigen Auge ebenfalls entste- hen zu lassen. Doch die Wildkirschen hat Hille ja selbst ge- pflanzt, sie sind Teil eines ganz konkreten Plans. Und sie sind für die 24-Jährige auch ein bisschen das Tüpfelchen auf dem I dieses Projektes. Hier im Arnsberger Wald geht es beispielsweise um eine Fläche, die der Gemeinde Möhnesee ge- hört. DasGeländewurde imRahmender „Wald- lokal“-Initiative der Soester Firma Piel und der IHK Arnsberg sowie der Regionalforstämter vomLandesbetriebWald undHolz imApril die- ses Jahres mit 1500 jungen Bäumen bepflanzt. „Als Baumpaten können sich Unternehmen aber auchPrivatpersonenbeteiligen“, sagtHille. So wie hier am Möhnesee, wo auf den ersten Blick noch tote Fichten, riesige Holzpolter und schwere Harvester-Maschinen das Bild beherr- schen. Wer genau hinsieht, entdeckt aber auch die zarten Triebe der Stieleichen und Berg- ahorn-Setzlinge, die hier seit dem Frühjahr dank des „Waldlokal“-Projektes sprießen. „Das sind Baumarten, bei denenwir davon ausgehen, dass siemit demtrockenerenundwärmerenKli- ma besser zurechtkommen“, erklärt die 24-Jäh- rige. Eine Mammutaufgabe, die sie mit einfa- chen Worten so erklärt: „Wir versuchen, die to- ten Fichten von den Flächen zu holen, um diese Flächen dann mit möglichst klimastabilem Waldwieder aufzuforsten.“ Und dabei haben al- le, die sich um den Wald kümmern, keine Zeit zu verlieren. „Wir machen eigentlich immer al- les gleichzeitig“, erzählt Hille. Das Schadvolu- men sei so groß, dass es „eine gewisseZeit“ brau- che, bis es abgearbeitet sei. „Die Flächen, die als erstes abgeholzt wurden, versucht man auch möglichst schnell wieder aufzuforsten, damit nicht so viel Konkurrenzvegetation auf den Flä- chen auftritt“, berichtet Hille. Sonst kommen diePflanzen, die dort gepflanztworden sindund jetzt wachsen und einmal große Bäume werden sollen, nicht durch. Ein entscheidendes Detail, denn andernfalls würde man in wenigen Jahren keinen jungen Wald, sondern eher ein riesiges Gebüsch aus Himbeersträuchern und ähnli- chem vorfinden. Der klassische Nadelwald aus schnellwach- senden Fichten jedenfalls ist in unserer Region ein Auslaufmodell, das hat die katastrophale Entwicklung in den letzten Jahren gezeigt. Ursa- che, daran gibt es keinen Zweifel, ist der Klima- wandel. Erst vor zwei Jahren übernahm Anna- Maria Hille das Revier am Möhnesee, vom ers- ten Tag an war sie als Krisenmanagerin gefragt. „Erst fing es an mit einem kleinen leichten Bor- kenkäferbefall, man hat versucht, dem Ganzen entgegenzuwirken und die befallenen Bäume herauszunehmen. Aber im Sommer 2019, als es dann so ungewöhnlich trocken wurde, da hat- ten die Bäume im Prinzip keine Chance mehr – der Käfer aber ideale Bedingungen.“ Im Dürrestress waren die Abwehrmechanis- men der Fichten außer Kraft gesetzt – und mehr oder weniger machtlos mussten Fachleute und Laien mit ansehen, wie große Teile des hiesigen Waldes in kürzester Zeit zugrunde gingen. „Der Borkenkäfer hat sich massenhaft ausgebreitet, bis der komplette Bestand befallen war“, erin- nert sich Hille. Seitdem wird Fichtenholz im großen Stil geerntet und – vor allemnach China – exportiert. Der Blick von Anna-Maria Hille geht aber zurück in die Heimat, auf den Wald vor ihrer Haustür im Sauerland. Anfangs habe sie sich auch gefragt, ob sie vielleicht etwas falsch gemacht habe; weil sie die Katastrophe nicht habe verhindern können. Jetzt aber wird angepackt. Schließlich ist das für die junge Frau auch eine persönliche Lebensaufgabe, die sie da vor sich hat. „Wir arbeiten im Wald ja immer überGenerationen.Was ich jetzt pflanze –wenn ichGlück habe, dann kann ich, wenn ichmal alt bin, sehen, ob daraus dann schon kleine Bäume geworden sind“, sagt Hille nachdenklich. Dass diese Aufgabe als Försterin für Anna- Maria Hille mehr als ein Job ist, sondern eine echte Berufung, ist keine Überraschung. Auf solch eine große Sache wie die Rettung unseres Waldes muss man sich erstmal einlassen. „Das Ende des Ziels – einen großen, gesunden und stabilen Wald – das werde ich ja gar nicht mehr erleben. Das ist schon eine interessante Heraus- forderung, so für die Zukunft zu arbeiten – ohne zu wissen, was eigentlich genau mal daraus mal wird“, sagt Hille. Aber bis im Arnsberger Wald die Wildkirschen blühen, soll es ja gar nicht mehr so lange dauern. Als Revierförsterin im Bezirk Möhnesee ist Hille natürlich Expertin in allen Waldfragen: Wie kann nach dem massiven Borkenkäferbe- fall, der in den letzten Jahren enorme Fichtenbe- stände vernichtet hat, wieder ein neuer Wald entstehen?Wie sieht die Zukunft der Forstwirt- schaft vor Ort dann aus? Und: Wie können sich Unternehmen, aber auch Bürgerinnen und Bür- ger, selbst dafür einsetzen, dass der Wald seinen Wert als Naherholungsgebiet behält? „Zurzeit verfolgen wir zwei große Aufgaben gleichzeitig: Das ist zum einen die Holzernte, das Fällen und Abräumen der erkrankten Bäu- me. Und zum anderen das Pflanzen neuer Bäu- me“, erläutert die 24-Jährige. Gerade unterhalb des Möhneseeturms ist das Bild erschütternd. Nur noch Stümpfe stehen in einer viele Hektar großen Mondlandschaft, schwere Harvester sind imDauereinsatz und an denWegen stapeln sich riesige Holzpolter. Rund 100 Millionen Bäumemüssen in der Region neu gepflanzt wer- den, wenn derWaldwieder zu seiner bekannten Stärke erwachsen soll. Eine immense Heraus- forderung, die nur bewältigt werden kann, wenn sichviele beteiligen. „Das ist eineGenerationen- aufgabe und für mich auch ein Lebenswerk“, sagt Försterin Anna-Maria. Anna-Maria Hille hat einen Traum und ein Ziel: Ein großer, gesunder und stabiler Wald. Für die Revierförsterin im Bezirk Möhnesee eine Lebensaufgabe Wald der Zukunft Wir versuchen, die toten Fichten von den Flächen zu holen, um diese Flächen dann mit möglichst klimastabilem Wald wieder aufzuforsten. Anna-Maria Hille Försterin Anna-Maria Hille (24) ist Försterin bei Wald und Holz NRW für den Forstbetriebsbezirk Möhnesee. FOTO: STEFAN AREND, STOCK, GETTY Anzeige Als regionale Bank vor Ort sind wir unseren Mitgliedern, Kundinnen und Kunden sehr nah. Das haben wir mit der Westfalenpost gemeinsam. Wir sind in der Region verwurzelt und kennen ihre Besonderheiten. Wir kennen die Menschen und sprechen ihre Sprache. Unser Handeln richten wir nach Werten wie Solidarität, Partnerschaftlichkeit und Transparenz aus. Diese Wertorientierung macht unsere und die Arbeit der Westfalenpost so besonders. Aus der Region für die Region! voba-owd.de
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