75 Jahre WP | Jubiläumsausgabe
PBX__NRWTZ_39 SAMSTAG | 26. JUNI 2021 Es gibt Momente imLeben eines Reporters, die bleiben im Gedächtnis. Einen solchen Moment habe ich erlebt, als der große Sturm Kyrill über unsere Region hinwegge- fegt war. Damals, Anfang des Jahres 2007, hatte das Forstamt der Stadt Hagen zu einer Pressekonferenz eingeladen. Am Tisch sa- ßen neben den Journalisten vor allemForst- leute und Feuerwehrmänner. Allen waren die Strapazen der letzten Tage und Nächte anzusehen. Eine bedrückende Stille und Traurigkeit erfüllte den Raum. Und obwohl wir alle die vom Windwurf verwüsteten Hänge schon mit eigenenAugen gesehenhatten, war klar, dass die zurückliegendeNachtmehrwar als ein zerstörerisches Ereignis. Mit jedem Satz, der die Katastrophe beschrieb, wurde deutlich, dass dieser Sturm nicht nur Bäu- me entwurzelt undFichtenstämmewieHal- me krachend zerrissen hatte. Kyrill hatte Waldbauern die Lebensgrundlage wegge- fegt. Der Sturmhatte dieArbeit der vorange- gangenen Generation vernichtet und der nächsten Generation von Waldbauern das Vertrauen in dieses Generationen-Verspre- chen genommen. Es flossen Tränen. Män- ner, die sonst eine unerschütterliche Zuver- sicht ausstrahlten, weinten. Seither haben wir über Aufräum- und Aufforstungsmaßnahmen berichtet. Wir haben gelernt, dass ein Holz-Vollernter „Harvester“ heißt. Dass Waldarbeiter-Ko- lonnen im Sturmholz einen lebensgefährli- chen Job machen. Wir haben aber auch neue Sichtachsen bestaunt, die jahrzehnte- lang durch dichte Schonungen versperrt waren. Und wir haben erlebt, wie sich die Natur bahnbricht auf den kahlen Hängen. Was natürliche Verjün- gung bedeutet, haben wir mit eigenen Augen gesehen und wie sich klug angelegte, klima-feste Wälder entwickeln. Längst sind weitere Stürme über dieRegion gezogen. Friederike war so ein Sturm, der vor allem das Müns- terland traf, aber auch unsere Region nicht verschonte. Zuletzt hat der Borkenkäfer den durch drei Dürrejahre geschundenen Fichtenbe- stand in Südwestfalen weitgehend ausra- diert. Die sterbenden, rotbraunen Kronen waren Vorboten des notwendigen Ein- schlags, der unsere Kulturlandschaft bis heute verändert. Die Trostlosigkeit kahler Hänge verändert das Wald-Erlebnis. Die Gesellschaft scheint zu verstehen, dass unsere Landschaft keine Selbstverständ- lichkeit ist. Dass Wald viel mehr ist als eine Angelegenheit von Waldbauen und Förs- tern. Er ist Lebensraum, CO 2 - und Wasser- speicher. Vor allem aber ist er in unserer Re- gion landschaftsprägender Erholungsraum für Spaziergänger, Radfahrer und Touris- ten. Deshalb wollenwir denWald nicht auf- geben. Die WESTFALENPOST möchte einen Beitrag leisten, um diesen Lebens- Von Thorsten Streber Hagen. 100 Millionen Bäume – einfach weg. Angeschlagen nach mehreren Dürre-Jahren in Folge waren sie ein leichtes Opfer für den Borkenkäfer. 100 Millionen Bäume -- eine eigentlich unvorstellbare Größenordnung, die aber niemanden wundern dürfte, der in den vergangenen Monaten mit offenen Au- gen durch Südwestfalen gefahren ist. Flächen so groß wie 60.000 Fußballfelder mussten oder müssen noch abgeholzt werden. So wird das globale Problem des Klima- wandels ganz konkret auch vor der Haustür sichtbar. Und dieWESTFALENPOSTmöch- te etwas dagegen tun: Werden Sie mit uns zum Waldretter! Als Zeitung aus der Region für die Regionmöchtenwir einenBeitrag leis- ten, dass im Sauer- und Siegerland, in Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis wieder ein vita- ler und zukunftsfähigerWald entsteht. Ob als Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten, als Wirtschaftsfaktor oder als Erholungsgebiet hat derWald eine überragende Bedeutung für die Region, die nicht verloren gehen darf. Gemeinsam mit dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW, den kommunalen Forstäm- tern wie in Hagen und dem Regionalverband Ruhr (RVR) haben wir daher das Waldretter- Projekt ins Leben gerufen. Noch in diesem Jahr sollen an unterschiedlichen Stellen in Südwestfalen kleine und größere WP-Wälder die Lücken schließen. Die Fachleute aus den Forstämtern sorgen dafür, dass die Flächen nachder Rodung ordnungsgemäßaufbereitet werden. Sie kümmern sich nach der Pflan- zung um die Hege und den Schutz der Setz- linge, so dass der Wald über die kommenden Jahrzehnte erfolgreich gedeihen kann. Der Verlag der WESTFALENPOST wird passend zum Jubiläum mit 750 Bäumen den Anfangmachen und auch einen Teil der Erlö- se in den Wald der Zukunft investieren: Für jedes neu abgeschlossene Print-Abo der nächsten Monate pflanzt die WP in Südwest- falen einen Baum. Auch mit jeder Werbean- zeige wächst der WP- Wald. Und selbstver- ständlich können auch unsere Leserinnen und Leser helfen und Bäume spenden. Anfang Juli wird dafür eine Internetseite freigeschaltet – mit fünf Euro für einen Baum kann die Aktion unterstützt werden. Bei der Spendensammlung wird die WP von Waldlokal unterstützt, einem gemeinnützi- gen Gemeinschaftsprojekt, das sich für die Wiederaufforstung in NRW einsetzt. Die ersten Pflanzfeste werden im Herbst stattfinden. Wenn die Corona-Situation es zu- lässt, können dann auch die Spender miterleben, wie derWald in Südwestfa- len gerettet wird – Baum für Baum. Der Wald ist keine Selbstverständlichkeit und Erlebnisraumzu erhalten. Oder besser: um ihn auch für kommende Generationen zukunftsfest zu gestalten. Deshalb haben wir im Jahr unseres 75-jährigen Bestehens das Projekt „Waldretter“ ausgerufen. Natür- lich sind wir uns klar darüber, dass wir nur einen kleinen Teil leisten können. Immer- hin braucht Südwestfalen geschätzt 100 Millionen neue Bäume. Ein großer Teil da- von kann durch natürliche Erneuerung ent- stehen. Um aber klima-resistenteWälder zu schaffen, brauchen wir Mischwälder, die Trockenheit, Stürmen und Schädlingsbefall widerstehen können. Aus diesem Grund laden wir jedermann ein, daran teilzuhaben. Gemeinsam mit demRegionalforstamt Wald undHolz, dem Regionalverband Ruhr (RVR) und den kommunalen Forstämtern wollen wir kli- mafeste Wälder pflanzen. Dazu braucht es gerodete und vorbereitete Flächen. Es braucht Setzlinge, Pflanzungen und Nach- pflanzungen, weil nicht jedes Bäumchen durchkommen wird. Zentral ist für uns der Gedanke, lokale Wälder zu begründen. Die Beziehung der Menschen zu dem Wald vor der eigenen Haustür ist etwas Besonderes. Das haben wir gerade während der Pandemie neu erfahren. Deshalb gibt es Waldretter- Projekte in allen Ausgaben-Gebieten der WP zwischen Siegen und Hagen, zwischen Brilon und Schwelm. Gemeinsam mit den Partnernwerdenwir dafür sorgen, dass jede Baum-Spende in unserer Region an- kommt. Gemeinsam können wir vielleicht mehr tun, als nur ein Zeichen zu setzen. KOMMENTAR VON TORSTEN BERNINGHAUS tung ist es, denWald vonmorgenwiderstands- fähiger zumachen. Er soll besser klarkommen mit Hitze, Trockenheit, Schädlingsbefall, also mit den Auswirkungen der Erderwärmung. Damit fallen Monokulturen raus, solche mit flachwurzelnden Fichten erst recht. Angesagt ist nunMischwald aus mindestens drei Baum- arten, so wünscht es sich NRW-Umweltminis- terin Ursula Heinen-Esser (CDU). Wir wer- denalso inZukunft buntereWälder sehen,mit mehr Laubbäumen. Pflanzen, die viel Wasser benötigen, haben es schwer. Deshalb dürften wir auch hierzulande bald Arten sehen, die wir aus dem Mittelmeer-Urlaub kennen, viel- leicht sogar Libanon-Zedern. Der Waldumbau beginnt jetzt. Dieses Jahr hat für den heimischen Forst etwas besser an- gefangen als die vergangenen zwei. Denn der Frühling war kalt und feucht. Weil der Bor- kenkäfer sich erst ab 16,4Grad Celsius auf die Socken macht, konnte er noch nicht so viel Schaden anrichten. Zudem machte der viele Regen in den ersten fünf Monaten die Bäume widerstandsfähiger. Bund und Länder unterstützen die Waldbesitzenden. NRW stellt allein dieses Jahr 75 Millionen Euro zur Ver- fügung (75? Reiner Zu- fall.) Ob alle Beteilig- ten damit die richtige Strategie einleiten? In 75 Jahren wissen wir es besser. Es steht dann in Ihrer WESTFA- LENPOST. ZAHLEN, DATEN, FAKTEN Von Martin Korte Hagen. Wir müssen ein bisschen über Zahlen sprechen: 75 Jahre, also ziemlich genau so alt wie die WESTFALENPOST, sind ausge- wachsene Fichten. 40Meter hoch, meist ker- zengrade gewachsen, optimal geeignet für den Einsatz als Bau- und Konstruktionsholz. 75 Jahre! Und deshalb wundern sich die Waldbauern schon etwas, wenn ihnen heute vorgehaltenwird, sie seiendoch selbst schuld an der aktuellen Katastrophe in den Wäl- dern. Denn gepflanzt haben die Bäume ja nicht sie, sondern zumeist ihre Großväter – kurz nach dem Krieg, als der Rohstoff Holz knappwar undmit demBegriff Klimawandel niemand etwas anfangen konnte. Katastrophe ist ein großesWort. Aber es ist angemessen für das, was sich gerade in Deutschland abspielt. Gut 300.000 Hektar Wald sind Stürmen und dem Borkenkäfer bisher zum Opfer gefallen. Das ist eine Flä- che größer als das Saarland. Umes greifbarer zumachen: Es geht ummehrere hundertMil- lionen Bäume, die eben keine 75 Jahre alt werden, weil der Borkenkäfer sich durch ihre Rinde frisst. In NRW sind die Schäden besonders aus- geprägt, und dort vor allem in Südwestfalen. DasUnglück ist für jeden sichtbar: GehenSie ruhig mal wieder in den Wald, den Sie von früher kennen. Wenn er noch da ist. Und deshalb sagen Experten jetzt einWort immer öfter, das vor 75 Jahren kei- ne Rolle spielte: Resilienz. Ziel der Wiederauffors- Der Wald bietet vielen Vögeln, Säugetieren und zahlreichen Insekten, einen Lebensraum. FOTOS: ISTOCK (2), STOCK (2) RETTEN SIE MIT!
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