75 Jahre WP | Jubiläumsausgabe

PBX__NRWTZ_42 ging es zum Ballon Nr. 45. Der Pilot und seine Frau warteten bereits, ebenso mein Kollege, dermir den versprochenenKaffee überreichte und sagte: „Viel Spaß. Das wird richtig toll.“ Ich wollte mir meine Angst nicht ansehen lassen und habe erst- mal auf dicke Hose gemacht. Später im Korb, hätte ich mir fast „in“ die Hose ge- macht. Panischhielt ichmich andemKorb fest, meine Beine zitterten. Ein Foto vom Aufstieg – schier unmöglich. „Wir sind gleich oben.“ Doch irgendwann traute auch ichmich denBlick nach unten und in die Ferne. Undwissen Siewas? Es war das Schöns- te, was ich bislang gesehen habe. Nebel- schwaden, die dem Sonnenaufgang wichen, grüne Hügel – verstreut übers Sauerland und Windkrafträder, die aussa- hen wie kleine Playmobilfiguren. Irgend- wann schoss ich sogar Fotos, die ich für die Reportage brauchte. Ob ich es noch ein- mal machen würde? Ja! Von Falk Blesken „Stille. Plötzlich herrscht absolute Stille. KeinRatternmehr wie in einer Achterbahn, keinFahrtwind, der umdenHelmpfeift. Ich stehe. Besser gesagt: Ich liege. Nur etwas höre ich laut und deutlich: Ich atme. Im- merhin.“ So begann der Text über jenen der zig Selbstversuche imLaufemeiner über 20- jährigen Karriere als Sportredakteur der WESTFALENPOST, der mir auf Ewigkei- ten imGedächtnis bleiben wird. Weil er der gleichfalls einfachste wie schwierigste war. Und der mutigste. Oder sollte ich besser be- scheuertste sagen? Nein, das wäre falsch. Der Wintersport besitzt in der WESTFA- LENPOST einen hohen Stellenwert. Vor den Olympischen Winterspielen 2014 star- tetenwir deshalbdie Serie „Wir für Sotschi“. Sie bestand aus Selbstversuchen. Curling, Eishockey... waren mir zu langweilig. Ski- springen?Wäre okay gewesen. Doch Skele- ton schien schneller und etwas gefahrloser umsetzbar zu sein. Einfachumzusetzenwar der Versuch in Winterberg. Gefährlich? War es trotzdem, bäuchlings auf einem Schlitten liegend mit dem Kopf voraus den Eiskanal ab der Hälfte ohne Vorkenntnisse hinunter zu rasen – wenigstens kam es mir unmittelbar nach der 30-sekündigen Fahrt mit einer Spitzengeschwindigkeit von 94 km/h und einem Fast-Sturz so vor. Mit etwas Abstand war dieser Selbstver- such der coolste. Und einer, der nach Wie- derholung schreit. Von Arne Poll DasDrama umeinMendener Auswanderer- paar erschüttert im Februar 2016 die Re- gion. Die Leiche eines früheren Boxers wird in den verkohlten Ruinen seines französi- schen Hofes im Département Sarthe gefun- den. Neben ihm ein Gewehr und drei tote Hunde. Von seiner Lebensgefährtin fehlt je- de Spur. EinMord?ZweiMorde?Wer tötete wen? Entführte eine Bande die Frau?Wilde Gerüchte sprießen, die französischen Er- mittler mauern, auch gegenüber der deut- schen Polizei. Die Ungewissheit quält die Hinterbliebenen – und uns als Redaktion. Wir erhalten Hinweise, die sich nur vor Ort klären lassen. Die Recherche führt mich 813Kilometer und elf StundenAutofahrt ins kleine Dorf Saint-Georges-de-la-Couées – so weit wie wohl noch nie für eine Lokalbe- richterstattung in derHistorie derWESTFA- LENPOST. In demDorf scheint die Zeit ste- hengeblieben zu sein. Es ist wie im Film: Als das deutsche Auto stoppt, klappen die Fens- terläden zu. Das Büro der Bürgermeisterin vom Front National setzt mich vor die Tür, was wohl nicht nur an meinem gruseligen Französisch liegt. Auch die Ermittler lassen ein Gespräch platzen. „Pardon!“ Im Dorf hängen mir zähnefletschende Vierbeiner an den Fersen. Ich spreche mit anderen deutschen Auswanderern. Hippie „Denny“ will den Toten kurz vor demBrand gesehen haben. Er berichtet von einem Streit des Paares. Gerhard, der Schrott-Auto- händler, unterstellt der Gendarmerie, dass sie schlampig ermittelt hat. Er spricht von Hohlräumen, in denen die Leiche der Frau versteckt sein soll. Ich laufe durch endloses Gestrüpp und stehe plötzlich mitten in den Trümmern des Hofes. Zwischen wuchern- demWein und hüfthohemGras stehen noch die Schuhe des Mendener Paares vor der verkohlten Tür. Daneben die zerfledderte Frankreich-Flagge. Der Ort ist so gruselig, dass ihn sogar Diebesbanden meiden. Meine Recherchen erscheinen imTatorte- Spezial der WP. Anwohner berichten, dass die Gendarmerie noch einmal Ermittlungen aufnimmt. Zu spät? Der ermittelnde Staats- anwalt schweigt bis heute. Der Fall beschäf- tigt mich weiter, auch wenn die Suche nach der Wahrheit bis nach Frankreich führt. Der Fall beschäftigt mich weiter 94 km/h mit dem Kopf voraus Von Ramona Richter Ich erinnere mich noch gut an jenen Tag im Oktober 2019, an dem mein Kollege Thorsten Streber ins Büro kam und mit einemGrinsen imGesicht fragte: „Wer von euchmöchtemorgen bei derMontgolfiade mit demHeißluftballon fahren? Diejenige müsste nur um 5.30 Uhr inWarstein sein.“ Gemeint waren Claudia Heindrichs und ich – beide damals noch Volontärinnen. Da meine Kollegin am nächsten Tag ver- hindert war, entschloss ich nach ewigem Hin und Her, mich meiner Höhenangst – die sehr ausgeprägt ist – zu stellen. Und soklingelte amTag darauf um4Uhr meinWecker – zumGlück. Denn umdiese Uhrzeit war ich noch nicht fähig, über all das nachzudenken. In Warstein angekom- men, wurde mir leicht übel. Ich hoffte auf schlechteWetterverhältnisse, doch die wa- ren geradezu perfekt für eine Ballonfahrt. Mit flauem Magen und zitternden Knien Ich würd’s wieder tun Unzählige Selbstversuche, außergewöhnliche Orte für die ganz große Geschichte zeichnen das Leben u und Reporter aus. Lesen Sie hier eine Handvoll Best zeigen, dass manchmal auch ein kleines Quäntchen FOTOS: RALF ROTTMANN REPORTE IN ACTIO

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