Sonderbeilage | 75 Jahre WAZ

Meinungspluralismus ist ein hohes Gut. Unterschiedliche, widerstreitende Perspektiven fördern die Meinungsbildung. Wahrheitspluralismus dagegen stiftet Verwirrung, gefährdet den demokratischen Diskursunddestabilisiert dieGesellschaft.Wie schnell das geht und wie gefährlich das ist, lässt sichindenUSAbeobachten. Es gibt sie nicht, die angeblich gestohleneWahl durch Joe Biden. Diese sogenannte alternative Wahrheit ist nichts anderes als eine Lüge. Genauso wenig sinnvoll lässt sich darüber streiten, ob die Erde umdie Sonne oder die Sonne um die Erde kreist – oder ob nicht eigentlich der BVB deutscher Rekordmeister ist und nicht BayernMünchen. „False balance“, falsche Ausgewogenheit also, ist kein Beleg für funktionalen Qualitätsjournalismus, sondern eher für dessen Abwesenheit. Falsche Ausgewogenheit kommt immer dann ins Spiel, wenn Journanicht zuWort kommen – außer, um sie und ihre ureigensten Interessen zu entlarven. Die meisten Menschen verstehen das. Die meisten Menschen schätzen das. Sie schätzen seriösen, einordnenden Journalismus. Das Vertrauen wächst Eine Langzeitstudie von Instituten der UniversitätenMainz undDüsseldorf zeigt, dass das Vertrauen in die etablierten Medien wächst, die für diesen seriösen Journalismus stehen. Besondershoch ist dasVertrauen der Menschen in die Regionalzeitungen und ihreOnline-Angebote. Ausgerechnet in der Corona-Krise ist dieses Vertrauen sogar noch einmal gewachsen. AmEnde des Jahres 2020 gaben nur 16 Prozent der Deutschen an, man könne den Medien „eher nicht“ oder „überhaupt nicht“ vertrauen. Dieser Befund deckt sich auch mit den Erfahrungen der FUNKE-Redaktionen. Vor allem unsere lokale und regionale Corona-Berichterstattung erzielte weit überdurchschnittlicheReichweiteninderLeserschaft. KeinWunder: Markenwie dieWAZ stehen seit Jahrzehnten für Seriosität, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit. Und so wird es auch bleiben. Alexander Marinos Zu viel Wissen kann sehr störend sein. Die Tafel Schokolade gerade hat zwar gut geschmeckt, war aber die ungesunde Alternative zum Apfel, der weiter unangetastet im Obstkorb liegt. Sofort meldet sich das schlechte Gewissen. Obwohl? Gab es da nicht diese Studien zum ungesunden Fruchtzucker? War nicht irgendwo zu lesen, dass dieser Fruchtzucker sogar schädlicher ist als Industriezucker? Es ist wohl ganz menschlich, solchen Informationen mehr Beachtung und sogar Vertrauen entgegenzubringen, wenn sie einem sympathisch vorkommen. Botschaften dagegen, denen man nicht glaubt oder glauben will, werden lieber dreimal hinterfragt. Falsche Ausgewogenheit vernebelt In der Corona-Pandemie wurde das besonders deutlich. Ist das Virus wirklich so gefährlich, dass die Geschäfte und Cafés schließen, dass die Kinder zu Hause bleiben, dass wir alle regelrecht eingesperrt werden müssen? Jetzt, zum Ende der Pandemie, wird die Frage wieder heiß diskutiert, ob auch die Medien eine Mitschuld tragenandenFehlern, diegemachtwurden, weil sie nicht ausgewogen berichtet hätten, weil nicht alle Seiten gleichermaßen zu Wort gekommen wären. Gab es das, eine „Karl-Lauterbachisierung“ journalistischer Berichterstattung? In ihrem viel beachteten Buch „Die vierte Gewalt“ stellen Richard David Precht und Harald Welzer die These auf, es gebe eine „Selbstangleichung“ im Journalismus. Das klingt nicht nur zufällig fast wie „Selbstgleichschaltung“ und stellt somit, gewollt oder ungewollt, Bezüge zur Nazi-Zeit her. Als einBeispiel nebender PandemiebenennendieAutorendasThemaWaffenlieferungen an die Ukraine. Die Medien würden ausschließlich die ukrainische Perspektive einnehmen und die Regierung zur Lieferung schwerer Waffen drängen, behaupten sie. Das Buch verkauft sich ziemlich gut. Waffenlieferungen als Rutschbahn in den Atomkrieg gegen Russland? Da fühlt sich mancher bestätigt in seinen Ängsten. Bis heute haben Precht und Welzer ihre Behauptung von der fehlenden Ausgewogenheit in den Medien nicht empirisch belegt. Und das ist nicht der einzige Fehler, den sie machen. Tatsächlich ist es gar nicht die Aufgabe von Journalisten, alle Positionen zu einem Thema, und seien einige davon auch noch so absurd, gleichberechtigt nebeneinander aufzuführen. Zu den vornehmsten Aufgaben eines unabhängigen Journalismus gehört doch immer auchdies: einzuordnen. Je unübersichtlicher eine Lage ist, jemehr Desinformationen kursieren, umso wichtiger wird diese Einordnung, die nachbewährten journalistischenRegeln erfolgt. Die wichtigste Regel dabei lautet, wahrheitsgetreuzuberichten, undzwar losgelöst vonder Frage, ob Informationendem Publikum gefallen oder missfallen. listen keine Ahnung haben, wenn sie nicht recherchieren können oder wollen, wenn sie nicht einmal Plausibilitäten überprüfen. In derWissenschaftsberichterstattung etwa wird dann nicht mehr unterschieden zwischen Konsens- und Minderheitenpositionen, zwischen echter Forschungsexpertise undgeschäftszentrierter Scharlatanerie. Alles wirkt gleich gültig, und das Publikum, oder schlimmer noch: die Politik, vermutet dieWahrheit irgendwie inderMitte. DieErde kreist dann zwar umdie Sonne, aber nur manchmal. UndObst ist gesünder als Schokolade, aber nicht immer. Falsche Ausgewogenheit kann auch ein Beleg sein für Sensationsjournalismus, der sich nicht zuerst der Wahrheit verpflichtet fühlt. „Die Corona-Lüge!“ – das klingt nach einer verkaufsträchtigen Schlagzeile. Und wennderCorona-Leugner dannnebenKarl Lauterbach in der Fernsehshow sitzt und Schreierei und Verunglimpfung mehr und mehr die ruhige Argumentation ablösen, dann hilft das zwar nicht der Wahrheitsfindung, aber der Einschaltquote. Zumindest kurzfristig. Langfristig sieht die Welt, zum Glück, ganz anders aus. Dort, wo vernunftgeleiteterKonsens hergestellt werdenkann, ist der Ort fürOrientierung; gesicherteFaktenproduzieren Gewissheiten, die uns helfen, durchs Leben zu kommen und die immer herausfordernderen Krisen zu bewältigen. Harte Klimaleugner etwa helfen uns nicht und sollten darumin seriösenMedien auch Je unübersichtlicher eine Lage ist, je mehr Desinformationen kursieren, umso wichtiger wird diese Einordnung, die nach bewährten journalistischen Regeln erfolgt. ALEXANDERMARINOS ist stellv. WAZ-Chefredakteur und schreibt „Klartext“-Kolumnen (waz.de/meinung/klartext). Fotos: adobE Stock, Montage: Frederik Mast, Lena Lengner Alternative: Fakten Die Sonne kreist um die Erde, sagen einige wenige. Mit „Pluralismus“ hat das nichts zu tun. Qualitätsjournalismus muss einordnen FUNKE Mediengruppe Der Journalismus Lukassen Leuchtenzentrum GmbH Bedburger Weide 8 | 47551 Bedburg-Hau Tel: 02821/7 47 00 | info@leuchten-lukassen.de www.leuchten-lukassen.de morgen schöner wohnen 0208 / 6 29 30 99 46047 Oberhausen plameco-spanndecke.de Mo. - Fr. 10.00 - 17.00 Uhr + Sa. 10.00 - 14.00 Uhr Plameco Hartenstein Im Lipperfeld 12 (nähe CentrO) NEUHEIT Infrarotheizung Deckenschau 21. bis 24. April FR, SA, SO und MO jeweils 10.00 bis 17.00 Uhr

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