BZV | Dossier | Lass uns reden

11 INTERVIEWS Kommen wir wieder zu Ihrem Programm. Das lag coronabedingt nun einige Zeit in der Schublade. Haben Sie es angepasst? Ich passe ständig an. Das mache ich mit allen Programmen so. Comedy ist keine exakte Wissenschaft und sie ist auch nicht statisch. Ein Programm ist organisch. Selbst nach dem 200. Auftritt ist es noch nicht fertig, weil mir spontan Dinge einfallen. Selbst nach 20 Jahren auf der Bühne, kann ich alte Nummern immer noch weiter verbessern. Sie haben sich aber auch ein zweites Standbein erarbeitet und spielen auf YouTube Videospiele. Wie kam es zu Ihrem YouTubeKanal? Ich werde auch außerhalb meiner Tour für Dinge gebucht. Und so habe ich beim Deutschen Computerspielepreis moderiert. Ich habe nur in einem Nebensatz erwähnt, dass ich gerne zocke. Einige Spiele-Herausgeber sind danach auf mich zugekommen und wir haben gemeinsam was gemacht. Die Szene fand die Mischung aus Comedy und Gaming interessant. Ich habe vor Corona angefangen und hatte mehr Glück als Verstand, als der Lockdown dann kam. Weil die Leute nicht mehr meine Shows gucken konnten, haben sie meinen Kanal geschaut. Sie spielen mit jüngeren YouTubern wie Gnu zusammen, aber auch mit Kollegen wie Paul Panzer. Wer ist der bessere Mitspieler oder die bessere Mitspielerin? Das ist schwer. Mit Paul macht es am meisten Spaß – auch, weil er seit Jahren ein guter Freund von mir ist. Aber was die Technik und das Spielen angeht, ist es sperrig mit ihm (lacht). Man hat mit ihm nicht viel vom Spiel, aber man hat die Lacher. Paul ist eben Paul. Er ist einzigartig. Insgeheim hoffe ich immer, dass er mit dem Spiel nicht zurechtkommt und sich aufregt. Gnu ist viel versierter beim Spielen. Gnu, Rezo und Julien Bam sind klasse Typen. Ich habe einen riesigen Respekt vor Menschen, die aus dem Nichts so einen YouTube-Kanal aufbauen. Wenn das Touren mehr wird, hängen Sie das Streamen an den Nagel? Nein, auf keinen Fall. Es macht mir so viel Spaß. Es hat auch den Vorteil, dass ich in der Nähe meiner Familie sein kann. Außerdem ist es ein eigener Fernsehsender – mein eigener Fernsehsender. So gern ich das Fernsehen auch mag, aber ich bin bekannt dafür, mit Produzenten, Regisseuren und Sendern zu diskutieren. Künstler-Ego halt. Beim Streamen kann sich mein Künstler-Ego voll austoben. Kann man sich heute auf der Bühne auch noch austoben, oder muss man aufpassen, was man sagt? Ja, sicherlich. Aber wenn ich sehe, was auf Social Media passiert und auch Kollegen passiert ist, finde ich das sehr unangenehm. Ich habe kein Problem mit konstruktiver Kritik, aber teilweise wird nur Hass ins Netz geschüttet. Da leiden viele Kollegen drunter. Als Künstler möchte man sich ausdrücken – auch auf die Gefahr hin, dass es nicht überall gut ankommt. Als Beispiel: Letztes Jahr hat die Figur Ranjid eine Diskussion ums Black- bzw. Brownfacing erreicht. Aber es macht keinen Sinn mit Weißen darüber zu sprechen, ob ich einen Inder spielen darf. Ich habe dann eine Diskussion auf Facebook gestellt, wollte aber überwiegend Inder hören. Und die meisten fanden sie lustig. Danach war das Thema für mich erledigt. Cancel Culture ist ein aktueller Begriff. Ja, man muss aber auch einen zeitlichen Kontext sehen. Wenn wir in zehn Jahren auf dieses Jahr zurückblicken, werden wir auch Dinge finden, die nicht mehr in Ordnung sind. Aber dann muss es eher einen Hinweis auf den zeitlichen Kontext geben. Man sollte das Ganze nicht einfach wortlos streichen Man kann einen Zeitgeist nicht canceln. Aber man kann Dinge erklären und sagen, dass es damals so in Ordnung war. FOTO: Nadine Dilly Der Comedian Kaya Yanar verliert den Humor nur bei Hass im Internet.

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