BZV | Dossier | Lass uns reden

9 INTERVIEWS Wer Beatrice Egli hört und sieht, denkt sofort an die Casting-Show „Deutschland sucht den Superstar“. 2013 ersang sie sich den begehrten Titel. Dabei hat die Schweizerin so viel mehr vorzuweisen. Musik macht die 33-Jährige bereits seit ihrer Jugend, sie ist gerngesehener Gast im TV, moderiert selbst Shows und erreicht mit ihren Alben regelmäßig Spitzenpositionen – und jetzt hat sich die Sängerin auch noch aufs Matterhorn gewagt. Welchen privaten und öffentlichen Herausforderungen sie sich sonst noch so stellt, hat sie Maxi Strauch erzählt. Herzlichen Glückwunsch, Sie haben sich einen Traum erfüllt und das Matterhorn bestiegen! Dankeschön! Es ist der Wahnsinn. Ich kann‘s noch immer nicht so ganz glauben. Aber es ist tatsächlich geschafft. Ich stand da oben. Ich habe das Gefühl noch in mir. Es war pure Freude, Erleichterung, Glück. Ich bin in die Arme meiner Bergführerin Suzanne gefallen und habe geweint vor Freude. War es so, wie Sie es sich vorgestellt haben? Für mich war es sehr schön, dass mir auch die Musik sehr viel Motivation gegeben hat und das Training mich wiederum zu neuen Songs inspiriert hat. „Alles was du brauchst“ ist ein sehr energiegeladenes Album geworden. Ich habe mir aber auch viel Zeit genommen, um zu reflektieren, mir die Ruhe zu nehmen, Dinge Revue passieren zu lassen. So ist es auch das erste Mal, dass ich meine Stimme ganz anders nutze. In „Leise Lieder“ singen Sie über häusliche Gewalt. Wie kam es dazu? Es war in der Pandemie nur ganz kurz Thema und dann war es wieder weg. Aber häusliche Gewalt hat in der Pandemiezeit sehr stark zugenommen. Das hat mich emotional sehr beschäftigt. Mich haben Briefe erreicht, in denen mir Geschichten erzählt wurden ... Das hat mich so berührt, dass ich jetzt den Wunsch habe, Gehör zu schaffen, für die, die schweigen. Wie passt das Thema in die immer fröhliche, heile Schlagerwelt? Es passt genau so in die Welt: nämlich gar nicht. Es passt in gar keine Welt. Der erste Schritt ist, darüber zu sprechen. Und diese vermeintlich heile Welt kann nur heiler und schöner werden, wenn wir Dinge auch ansprechen, die nicht gut sind. Und deswegen passt es genau da rein. Ich habe in keiner Millisekunde gedacht, dass das nicht geht. Sie singen auch über Mobbing und Bodyshaming. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht? Ich habe mein wortwörtliches Fett abbekommen. Gleichzeitig ist es vielleicht gerade gut, dass ich weiß, wie sich das anfühlt. Weil ich das Lied ansonsten nicht so inbrünstig singen könnte, wenn ich es nicht selbst erfahren hätte. Ich kann aber mit meinen 33 Jahren sagen: Ich stehe da komplett drüber. Und das wünsche ich jedem, der solche Kommentare über sich hören oder lesen muss. Ihr Körper war seit Beginn Ihrer Karriere Thema. Wie haben Sie gelernt, damit umzugehen? Es war ein langer Weg dahin. Ich wurde schon mit 18 Jahren sehr intensiv damit konfrontiert. Ich habe früh gemerkt, dass mir das überhaupt nicht guttut. Es gab die Möglichkeit, sich komplett zurückzuziehen. Aber dann wird’s auch nicht besser, denn auch im kleinen Kreis gibt es Kommentare. Aufhören war also kein Thema für mich. Ich hatte die Momente, in denen ich mich deshalb schlecht gefühlt habe, in denen es mir die Freude am Leben genommen hat. Das brauche ich nicht mehr, das lasse ich hinter mir. Sie sehen sich beinah wöchentlich mit neuen Gerüchten konfrontiert. Wie gehen Sie damit um? Damit gehe ich lässig um und denke mir: Schade, dass es nichts anderes zu berichten gibt. Man nimmt es mit Humor. Es gibt ein Thema, da hört es für mich auf – und das ist Schwangerschaft. Das ist ein sehr sensibles Thema. Darüber spekuliert man nicht. Ich finde es respektlos. Deswegen habe ich das auch öffentlich angesprochen. Ich war so schockiert über diese Nachricht (Anm. d. Red.: Egli wurde kürzlich eine Schwangerschaft nachgesagt). Das haben wir dann schnell klären können in der Livesendung und jetzt weiß jeder Bescheid. Jetzt steht erst einmal Ihr neues Album im Fokus. Bisher haben alle Alben Top-Platzierungen erreicht. Was ist Ihr Geheimrezept? Das frage ich mich manchmal selbst (lacht). Setzt Sie das unter Druck? Ich denke immer, das kann man ja eigentlich nicht toppen, das Niveau ist nicht zu halten. Ich bin selbst immer wieder erstaunt. Acht Jahre, acht Alben und ich habe so viel erlebt. Bei diesem Album ist es ganz besonders. Es ist definitiv ein Album, das mich komplett von einer anderen Seite zeigt. Ein Album, das die Leute mit auf eine andere emotionale Reise nimmt. Es ist bestimmt auch mutig, aber für mich fühlt es sich nicht mutig an, sondern richtig. Es ist Ihr neuntes Album. Kann man sich da eigentlich noch an alle Lieder erinnern oder kommt es schon zu Dopplungen? (lacht) Dopplungen glaube ich nicht, dafür verändert man sich zu sehr. Da merke ich schon manchmal, das bin ich nicht mehr. Aber dass ich meine über 200 Songs in- und auswendig kann, das wäre gelogen. Also gibt es „Jugendsünden“ unter Ihren Liedern? Ja, selbstverständlich. Bei gewissen Songs denke ich: Oh mein Gott! Aber das gehört dazu. Das ist wie alte Bilder anschauen, da denken wir auch: So sind wir mal rumgelaufen? Und das ist mit der Musik ähnlich. Man hört die Lieder und schüttelt mit dem Kopf. Aber gleichzeitig wäre ich jetzt nicht diese Frau, diese Sängerin, hätte ich nicht all das gemacht. Und ich bin froh, dass ich mir das bewahren konnte. Bis heute bin ich jemand, der Dinge wagt und tut.

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