Thüringer Allgemeine | Dossier | Rot-Weiss Erfurt - 30 Jahre UEFA-Cup

41 30 JAHRE UEFA-CUP RWE bracht. Durch Zufall hielt Torsten Ehlert die denkwürdige Ansprache auf einer VHS-Kassette fest. „Weil das Spiel selbst ja live im Fernsehen übertragen wurde, wollte ich eigentlich ein paar Nebenschauplätze filmen – unter anderem den Gang der Spieler in die Kabine“, verrät er 30 Jahre später. „Als es drinnen aber losging und laut wurde, blieb ich natürlich drauf.“ Seit 1988 war der Sohn des langjährigen Rot-Weiß-Masseurs Dieter Ehlert für den Verein als Videotechniker im Einsatz. Er nahm sowohl die eigenen Spiele auf und schnitt sie zur Auswertung und Fehleranalyse auf etwa 20 Minuten zusammen als auch Partien des kommenden Gegners. So war er im Vorfeld der Zweitrunden-Begegnungen gemeinsam mit Co-Trainer Rüdiger Schnuphase nach Amsterdam gereist, um das holländische Starensemble gegen Sparta Rotterdam (4:0) zu beobachten. Ein Ausflug, den sie sich jedoch hätten sparen können. Dichte Nebelschwaden sorgten dafür, dass auf dem Video kaum etwas zu erkennen war. Trotzdem schien der damalige Zweitliga-Letzte bestens eingestellt auf den prominent bestückten Kontrahenten. Mit Kampfgeist und Laufstärke kompensierten die Erfurter die spielerischen Vorteile der Gäste – und träumten zumindest eine Halbzeit lang von der nächsten Sensation. Schon das Überstehen der ersten Runde gegen den FC Groningen – immerhin Tabellendritter der Ehrendivision – hatten kaum jemand für möglich gehalten. „Dass wir nun auch Ajax ein bisschen ärgern konnten, war natürlich schön“, sagt Jürgen Heun. Allerdings verfehlte van Gaals Kabinenpredigt ihre Wirkung nicht. Wenige Sekunden der zweiten Halbzeit waren vergangen, da hatten die Amsterdamer ausgeglichen (46./Jonk) und später noch das Siegtor erzielt (77./Bergkamp). Der heutige Bondscoach der Nationalmannschaft schien seine Spieler an der Ehre gepackt und aufgerüttelt zu haben. „Vielleicht hatten sie auch Angst, noch einmal so zusammengestaucht zu werden“, meint Torsten Ehlert schmunzelnd. Die Kassette mit dem explosiven Inhalt lag über Jahre zu Hause in seinem Schrank und wäre beinahe in Vergessenheit geraten. Ende der 1990er-Jahre hatte er die Kamera nämlich ausgeschaltet und war in die Fußstapfen seines Vaters getreten. Von 2004 bis 2013 setzte Ehlert gemeinsam mit Bruder Dirk die seit 1965 währende Familientradition fort und betreute die Rot-Weiß-Mannschaft physiotherapeutisch. Nicht selten war das Duo auch als Seelentröster gefragt, wenn unzufriedene Spieler auf der Massagebank ihr Herz ausschütteten. Auch wenn er die Oberliga-Spiele heute nur aus der Ferne verfolgt, hängt sein Herz noch immer an dem Verein. Und denkt der 58-Jährige an die Duelle mit Ajax zurück, gerät er ins Schwärmen: „Im Nachhinein war es damals nicht nur politisch eine aufregende Zeit, sondern sportlich für RotWeiß der Wahnsinn. Vor allem, wenn man bedenkt, wo der Club heute steht.“ Lediglich die spärliche Kulisse von 6000 Zuschauern, die wäre dem Ereignis nicht angemessen gewesen. Denn höchstwahrscheinlich, so realistisch ist Torsten Ehlert, wird die Uefa-Cup-Teilnahme 1991 für Erfurt eine einmalige Sache bleiben. Van Gaals Kabinenpredigt: https://www.youtube.com/ watch?v=HFhLmKTmPm8 Neun Jahre war Torsten Ehlert als Physiotherapeut für Rot-Weiß tätig. Hier stützt er 2010 den verletzten Denis-Danso Weidlich.

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