Hamburger Abendblatt | Dossier | Sylt

S trandwandern mit Meeresrauschen am spektakulären Roten Kliff oder eher in der mystischen Stille des Grünen Kliffs, wie Thomas Mann den Blick in ziellose Weiten am Kliffende schweifen lassen, in die Lebensgeschichten von Walfängern eintauchen, friesische Tees mit lokaltraditionellem Gebäck genießen – der Deutschen liebste Insel ist auf vielfältige Weise erholsam und immer eine Reise wert. Endlich wieder Touris, mögen sich die beiden Möwen denken. Endlich wieder Trubel, glotzen, Futter. Sie kreisen über einer bahnhofsnahen Fischbude, in der Hoffnung, dass nach Corona-LockLeuchtturm und Reetdachhäuser: Der Deutschen liebste Urlaubsinsel Sylt ist ein echter Evergreen – im Frühling wie auch im wörtlichen Sinne. Fotos: iStockphoto down endlich mal wieder was für sie abfällt. Ihre Blicke fallen dabei auf edles Blech, das der DB-Sylt-Shuttle entlädt: Porsche, Aston Martin, Maserati, Ferrari röhren um die Wette. Die kompakte Begutachtungsmöglichkeit solch edler Karossen ist genauso typisch für die Insel schlechthin wie der Wettermix, der uns empfängt: steife Brise und ein schnell wechselnder Mix aus Sonne und Regen. Was ist anders? Auch den aufmerksamen Blicken der sich sanft im Wind wiegenden Möwen werden die Masken tragendenMenschen in der Fußgängerzone, die zahlreichen Corona-Testzentren und Hinweisschilder nicht entgangen sein. Wir realisieren schnell, dass Digital Detox und komplettes Sich-fallen-Lassen in diesem Urlaub nicht funktioniert: Im Cafe´ „Extrablatt“ werden erstmals die Impfausweise kontrolliert. Trotzdem genießen wir außengastronomischen Kuchen und Latte macchiato sehr – ebenso wie den Abendspaziergang am Strand ohne Maske, aber mit Sonne. Wir freuen uns: Die Wettervorhersage ist recht gut, wir wagen ausgiebige maskenlose Frischluftaktivitäten. Starten mit einer langen Strandwanderung entlang des Roten Kliffs von Wenningstedt nach Kampen. Richtig rot wird diese nach Helgoland beeindruckendste Steilküste der deutschen Nordseeküste zwar erst bei Sonnenuntergang, doch Schönfärberei frönt sie auch bei Tageslicht. Wir wandern auf der Inselwestseite weiter, vorbei an der Uwe-Düne, der mit 52 Metern höchsten Erhebung Sylts. Benannt ist die nach dem Juristen Uwe Jens Lornsen, einem engagierten Vorkämpfer für ein vereintes und unabhängiges Schleswig-Holstein. 110 Holzstufen führen auf eine Aussichtsplattform hinauf, von der wir unsere Blicke über die Mitte der Insel bis zu ihrer Nordspitze und zum dänischen Festland schweifen lassen. Das Haus „Kliffende“ ist unser nächstes Ziel. Heute in Privatbesitz, beherbergte es als Nobelhotel in den 1920er- und 1930er-Jahren kulturelle Lichtgestalten wie den Maler Emil Nolde, den Verleger Ernst Rowohlt und den Schriftsteller Thomas Mann, aber üble Gesellen wie Sylt 7

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