Thüringer Allgemeine | Dossier | Rot-Weiss Erfurt - 30 Jahre UEFA-Cup

16 30 JAHRE UEFA-CUP RWE PARTY IM REGEN Mit dem 0:0 in Jena macht der FC Rot-Weiß die umjubelte Zweitliga-Qualifikation perfekt Nico Scheller (49) über das umjubelte 0:0 am 17. Mai 1991 in Jena. Der Mann, der später in Erfurt sein Trainer werden sollte, hatte nichts zu lachen. Nico Scheller rannte, grätschte und attackierte Jürgen Raab bei nahezu jedem Ballkontakt. Der aufgeweichte Platz imErnst-Abbe-Sportfeld spielte dem Rot-Weiß-Youngster zusätzlich in die Karten: „Schöner Fußball war kaum möglich. Das Kämpferische stand im Vordergrund“, erinnert sich Scheller an das denkwürdige Thüringenderby vor 30 Jahren. Das direkte Duell zwischen ihm und Jenas 13 Jahre älterem Spielmacher fand letztlich wie die Partie keinen Sieger. Einmal war Raab seinem Bewacher entwischt, vergab jedoch freistehend (75.). Weil Peter Disztl zudem einen Krajisnik-Kopfball klasse pariert und Wentzel eine Eingabe Jörg Schmidts an die Lattenunterkante gelenkt hatte, blieb es beim 0:0. Ein Resultat, das die Erfurter und ihre Fans jubeln ließ. Ausgelassen tanzten sie im strömenden Jenaer Regen. Der entscheidende letzte Punkt für die Zweitliga-Qualifikation war errungen. „Ein unglaubliches Gefühl“, sagt Scheller. „Damit hatte vor der Saison ja niemand gerechnet.“ Auch, dass er ein fester Bestandteil dieser erfolgreichen Mannschaft sein würde, war nicht zu erwarten. Mit 18 hatte der Defensivspieler im Oktober 1990 in Magdeburg (2:1) zwar sein Debüt im Oberliga-Team gefeiert. Meist kam er aber in der Nachwuchsoberliga zum Zuge. Das änderte sich in der Winterpause, da erkämpfte er sich seinen Platz und avancierte in der Rückrunde zur unumstrittenen Stammkraft. „Die Trainer hatten Ahnung“, erklärt Scheller augenzwinkernd und verweist auf das Vertrauen, das ihm Lothar Kurbjuweit und Rüdiger Schnuphase damals schenkten. Er zahlte es ihnen mit bedingungslosem Einsatz zurück. Erst recht im Derby, das für ihn als rot-weißes Eigengewächs stets das Nonplusultra darstellte. Und besonders an jenem Freitagabend. Kurz vor der Abfahrt hatte sich mit Thomas Vogel der einstige Erfolgsgarant wegen einer Erkältung abgemeldet. „Das war schon ein Schlag für uns“, sagt Scheller. „Aber dadurch sind wir noch enger zusammengerückt.“ Ohnehin machten es ihm die erfahrenen Akteure wie Karsten Sänger und Armin Romstedt leicht, in der Mannschaft Fuß zu fassen: „Die Hierarchie war klar. Die Älteren haben die Jungen geführt. Diese Ansagen haben enorm geholfen. Thomas Linke oder ich mussten nur laufen und grätschen“, meint er schmunzelnd. Dass Scheller nebenbei noch seine Abiturprüfungen zu meistern hatte, ging in den sportlichen Erfolgswochen beinahe unter. Nach der Krönung mit dem Uefa-CupEinzug zählte der 19-Jährige auch in der anschließenden Zweitliga-Saison zunächst zum Stammpersonal. In den ersten fünf Partien verpasste er keine Minute, ehe er sich beim 0:6 in Freiburg schwer am Knie verletzte. Es folgte eine halbjährige Zwangspause, die ihm die internationalen Einsätze kostete. „Das tat mehr weh als die Verletzung selbst“, gesteht er. Vage Hoffnungen, im ZweitrundenRückspiel gegen Ajax Amsterdam (0:3) doch noch auflaufen zu können, zerschlugen sich im Abschlusstraining in Düsseldorf: „Da krachte es erneut im Knie – und es war vorbei.“ Diese bittere Erfahrung hatte am Ende jedoch auch etwas Gutes. Er erkannte schon in jungen Jahren, wie schnell es mit der Karriere vorbei sein kann und nahm ein BWL-Studium in Angriff: „Nur Fußballspielen war mir zu wenig. Und ich wollte mich frühzeitig beruflich orientieren“, erläutert Scheller. Unterbrochen von einjährigen Intermezzi in Zwickau und Nordhausen beendete er 2001 in Erfurt seine Laufbahn und betrat im Frankfurter Bankenviertel eine ganz neue Welt. Mittlerweile ist er mit seiner Familie am Rande der hessischen Metropole heimisch geworden, arbeitet bei einer Aktienfondsgesellschaft – tritt selbst aber nur noch selten vor den Ball. Dafür unterstützt er Sohn Niklas so gut er kann. Der Zwölfjährige spielt für die Frankfurter Eintracht und macht ihm viel Freude. „Manchmal frage ich mich, woher er das Talent hat“, frotzelt der Papa. Wohl wissend, dass Begabung allein nicht reicht für eine Profikarriere. Nico Scheller (49) heute. FOTO: UIP 07

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