Hamburger Abendblatt | Dossier | BACK TO SCHOOL

6 BACK TO SCHOOL Braucht gute Schule einen Kanon von Wissen – neben Stärkung von Kompetenzen? Marcus: Für mich ist das eine ohne das andere kaum denkbar, insbesondere in klassischen Fächern wie Mathematik, Naturwissenschaften oder bei der Rechtschreibung. Das müssen Schüler am Ende sehr gut beherrschen. In der Vergangenheit gab es eine Tendenz, dass Rechtschreibung in der Schule immer weniger wichtig wurde – und das halte ich für falsch. Und welche Rolle spielen Noten für gute Schule? Marcus: Leistung muss am Ende messbar sein, deshalb muss es irgendeine Art der Benotung geben, vielleicht nicht in den ersten Schuljahren – aber als kontinuierliches Feedback im Laufe der Schulzeit. Gerick: Leistungsbewertung hat zwei Funktionen, die beide ihre Berechtigung haben: Sie gibt dem Schüler eine Rückmeldung, stellt aber auch eine Vergleichbarkeit her und erfüllt so eine Selektionsfunktion. Wichtig ist, eine Note in eine umfassendere Rückmeldung einzubetten – sei es in einem Gespräch mit Eltern und Schüler oder mithilfe eines Kompetenzrasters. Man muss zudem in einer Schule beständig im Austausch bleiben über die Kriterien, die der Notengebung zugrunde liegen, nicht zuletzt auch, um ihre Akzeptanz zu erhöhen. Marcus: Die Funktion von Noten ist nicht zu unterschätzen: Die Abiturnote ist der beste Prädiktor für Studienerfolg. Kein anderes Merkmal sagt Studienerfolg so gut vorher. Je besser die Note, desto größer die Wahrscheinlichkeit, das Studium erfolgreich abzuschließen. Dabei gibt es doch immer wieder Geschichten über Schulversager, die später total erfolgreich sind. Von Albert Einstein sagt man das beispielsweise. Gerick: In dem Fall handelt es sich offenbar teils um ein Missverständnis. Einstein hatte in seinem Abiturzeugnis eine Sechs in Physik. Das war aber in der Schweiz, dort gab es eine andere Bewertungsskala. Eine Sechs entsprach also einem „Sehr gut“. Zum Schluss: Wie erkennen Eltern, die auf der Suche nach einer geeigneten Einrichtung für ihre Kinder sind, eine gute Schule? Marcus: Ideal wäre es im Sinne der Transparenz, wenn eine zentrale Stelle im jeweiligen Bundesland die Informationen bereitstellen würde, welche Schulen den größten Mehrwert für Schüler bieten. Dazu müsste man die Kompetenzen einmal vor dem Schuleintritt testen und dann in Vergleichsarbeiten immer wieder im Verlauf der Schulzeit. Das gäbe dann Auskunft darüber, wie sehr es eine Schule schafft, die Kompetenzen ihrer Schüler zu verbessern – und das ist ja entscheidend. Querschnittsvergleiche hingegen zeigen nur, an welchen Schulen viele gute Schüler und wo viele schlechte Schüler sind. Ausschlaggebend für gute Schule ist aber, wie sehr sie es vermag, aus dem Potenzial ihrer Schüler das meiste herauszuholen. Gerick: Meine Antwort wäre: Das hängt auch davon ab, was für die jeweiligen Eltern die Merkmale einer guten Schule sind. Leistung und Kompetenzförderung sind sicherlich zentrale Aspekte, aber es können auch die fachlichen Schwerpunkte einer Schule sein, besondere Unterrichtskonzepte oder auch die Wohnortnähe und Ganztagsangebote. Schulinspektionsberichte geben einen ganz guten Einblick. Wichtig ist, gerade auch bildungsferne Eltern mit den Informationen über die Schulen zu erreichen. Marcus: Und Eltern sollten nicht nur nach Äußerlichkeiten schauen – also wie modern die Gebäude sind und ob das Schulgelände sauber ist –, sondern dahinterblicken.

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