Thüringer Allgemeine | Dossier | Rot-Weiss Erfurt - 30 Jahre UEFA-Cup

25 30 JAHRE UEFA-CUP RWE lige DDR-Nationalspieler und Rekordspieler des FC Carl Zeiss. Zu seinen 408 Einsätzen gehören 55 im Europacup – so viele hat kein anderer vorzuweisen. Als Jenas Vereinsikone am Jahresanfang 1990 zum Erzrivalen wechselte, sorgte dies trotz der Wende-Wirren für Aufsehen. Hans Meyer riet seinem einstigen Schützling sogar davon ab; zu schlecht präsentierte sich die RotWeiß-Mannschaft in jener Zeit. Doch gerade diese Lage spornte Kurbjuweit an. Er rettete die Erfurter mit einem Punkt Vorsprung vor dem Abstieg und landete in kaum veränderter Besetzung in der Folgesaison den großen Coup. Immer an seiner Seite: sein alter Weggefährte Rüdiger Schnuphase als CoTrainer. Mit ihm funkte der frühere Verteidiger nicht nur fußballerisch, sondern auch menschlich auf einer Wellenlänge. Außerdem profitierte er von der Erfahrung des einstigen Mitspielers: „Der ‚Hase‘ kannte den Club und jeden Spieler aus dem Effeff. Da brauchte ich keine Anlaufzeit. Und bei den wichtigen Entscheidungen waren wir uns eigentlich immer einig.“ Im Training setzten beide vornehmlich auf Athletik, Kraft und Kondition; so wie sie es selbst unter Georg Buschner oder Meyer erlebt hatten. Ein unbequemer Weg, der sich im Laufe des Spieljahres jedoch auszahlte: „Die Truppe zerriss sich auf dem Platz; da rannte jeder für jeden. Und in der Rückrunde hatten wir nicht selten den längeren Atem“, erinnert sich Kurbjuweit. Einen musste er sogar bremsen: „Thomas Vogel überschritt auch im Training schon mal Grenzen, emotional und verbal; ging in den Spielen aber immer voran.“ Als der Stürmer am 21. Spieltag seine Erfurter beim unangefochtenen Spitzenreiter Rostock zum 1:0-Sieg schoss, lag Kurbjuweit wegen einer Blinddarm-OP im Krankenhaus: „Da hatte ich das Gefühl, die Jungs sind so fokussiert auf das Ziel, die brauchen gar keinen Trainer“, sagt er und verweist auf die erfolgreiche Bewältigung des bitteren 0:0 eine Woche zuvor gegen Dresden. Zu Hause war den Rot-Weißen ein glasklarer Handelfmeter verweigert worden; eine Szene, die Kurbjuweit auch heute noch nachstellen könnte: „Das brennt sich ein. Denn hätten wir gewonnen, wäre sogar die 1. Bundesliga möglich gewesen.“ Dass sein Team ein paar Wochen später die Zweitliga-Relegation ausgerechnet in „seinem“ Jena perfekt machte, ist eine Geschichte, die wohl nur der Fußball schreibt. Es war eines der schönsten torlosen Spiele seiner Karriere – mit nicht enden wollenden Jubelszenen im strömenden Regen des Ernst-Abbe-Sportfeldes. Das finale 2:1 über Brandenburg mit dem Einzug in den Uefa-Cup stellte anschließend die Krönung der Saison dar. Die Früchte seiner Arbeit blieben Kurbjuweit jedoch verwehrt. Nach einem Fehlstart in die Zweitliga-Saison – 1:11 Punkte und 5:20 Tore in den ersten sechs Partien – musste er Ende August 1991 seinen Stuhl räumen. „Ich muss gestehen, ich habe die Liga unterschätzt“, gibt er selbstkritisch zu. Auch wenn Kurbjuweit gern auf internationaler Bühne an der Seitenlinie gestanden hätte, fühlte er sich nicht als Sündenbock. Mit einem gewissen zeitlichen Abstand konnte er die Beurlaubung sogar nachvollziehen: „Was blieb dem Verein denn anderes übrig?“ Später kehrte er zu seinem Heimatclub zurück; fungierte in Jena als Trainer, sportlicher Leiter und Präsident. Doch die größte Leistung vollbrachte Kurbjuweit beim Thüringer Rivalen und sagt 30 Jahre danach: „Es war ein kleines Fußball-Märchen, das damals geschrieben wurde.“ Eines in Rot und Weiß. FOTO: IMAGO Zur Person Lothar Kurbjuweit wechselte1970 von Riesa zu Carl Zeiss. Bis 1983 bestritt er 408 Pflichtspiele für die Jenaer und schoss 39 Tore. Für die DDR-Nationalelf absolvierte er 66 Spiele (4 Tore), zählte 1974 zum WM-Aufgebot und holte 1976 olympisches Gold. 1984 begann in Jena seine Trainerkarriere. Anfang 1990 übernahm er Rot-Weiß. Nach seiner Beurlaubung Ende August 1991 war er in verschiedenen Funktionen wieder bei Carl Zeiss tätig sowie zwischenzeitlich in Pößneck und als Scout in Nürnberg. Lothar Kurbjuweit, 70, heute.

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