Hamburger Abendblatt | Dossier | 1972

10 1972 Essen Im All ist Sternzeit 3112,2, auf der Erde ist es 17.45 Uhr am Samstag, 27. Mai 1972, als ein Raumschiff namens Enterprise im ZDF zum ersten Mal über deutsche TV-Bildschirme fliegt. Abenteuer in unendlichen Weiten sind rar gesät zu jener Zeit. Lediglich Dietmar Schönherr ist ein paar Jahre zuvor als Commander Cliff Allister McLane mit der Orion zur „Raumpatrouille“ aufgebrochen. Nun also die Enterprise. Der Kapitän heißt James T. Kirk (William Shatner) und wird von Freunden Jim genannt. Sein 1. Offizier hört auf den Namen Spock (Leonard Nimoy), ist zur Hälfte Mensch, zur anderen Vulkanier. Er denkt stets logisch, kennt kaum Emotionen und wenn er „faszinierend“ sagt, kommt das einem Gefühlsausbruch nahe. Grün ist sein Blut, spitz sind seine Ohren, weshalb er in der ohnehin oft haarsträubenden deutschen Synchronisation gelegentlich auch als „Spitzohr“ betitelt wird. Mütter können sich nur schwer anfreunden mit dem „Teufel“ und Väter spotten über die Uniformen der Besatzung: „Die haben ja alle vergessen, ihre Schlafanzüge auszuziehen.“ Den Jugendlichen ist das egal. Sie sind begeistert – sofern sie die Serie sehen können. Viele können das nicht und dürfen montags in der Schulpause nicht mitreden. Denn in der ARD läuft zeitgleich zur Enterprise die Sportschau. Videorekorder kosten noch hoch vierstellig und sind rar gesät. So kommt in den „Ein-Fernseher-Haushalten“ samstags zwar oft Günter Netzer aus der Tiefe des Raums aber kein Sternenkreuzer. Auch in den USA, wo Kirk & Co. bereits 1966 erstmals die Umlaufbahn der Erde verlassen haben, ist der Flug der Enterprise holprig. Zwei Pilotfilme sind nötig, um die Fernsehgesellschaft NBC von der „Star Trek“ getauften Serie aus der Feder von Gene Roddenberry zu überzeugen. Und selbst dann muss das Raumschiff am partyträchtigen Freitagabend abheben. Dementsprechend niedrig sind die Einschaltquoten. Nach jeder Staffel UND SCOTTY BEAMT SIE HOCH Von Andreas Böhme RAUMSCHIFF ENTERPRISE Die US-Serie „Raumschiff Enterprise“ landete vor 50 Jahren in den deutschen Wohnzimmern. Die Weltraum-Saga begeisterte vor allem ein jugendliches Publikum. Captain Kirk und Mr. Spock sind heute Kult FOTO: DPA / PICTURE-ALLIANCE / DPA

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