Hamburger Abendblatt | Dossier | 1972

17 1972 mal im Teppich oder unter der Kommode verschwinden – dann ist das Geplärr groß. So manche vermisste Cowboy-Revolver hat auf diese Weise schon für ein kleines Familiendrama gesorgt. Trotz alledem: Playmobil klotzt und klotzt weiter, es gibt bis heute immer neue Erfolge, auch wenn sich das Spielverhalten ins Digitale verändert. Bei Playmobil arbeiten Heranwachsende mit den Händen, streiten und befrieden sich in der Gruppe oder klappern allein ihre Gestaltungsfantasien zusammen. Die gesamte Spielzeugbranche wurde im letzten Jahr um vier Prozent gesteigert. Playmobil als Bauklötzchen-Hersteller kletterte auf 7,5 Prozent. Unternehmenssprecherin Karen Pascha-Gladyshev sagt zum Sortiment: „Wir betreiben viel Forschung, um zu verstehen, was unsere Zielgruppe zum jetzigen Zeitpunkt interessiert.“ Die Evergreens wie Piraten, Ritter oder Polizisten sind beliebt wie eh und je, zurzeit sind der Arzt und die Krankenschwester die Helden. Die reale Lebenswelt wird im Mini-Format nachgestellt. Seit Oktober 1994 sind die Playmobil-Figuren offiziell auch „Werke der angewandten Kunst“ mit einer „urPlaymobil Erfinder Hans Beck (1929-2009) heberrechtlichen Werksqualität“. So begründete nämlich das Landgericht Nürnberg-Fürth die Aufnahme. Den Schöpfern der Figuren sei es „gelungen, Modelle zu schaffen, die unter teilweiser Verwendung technisch bedingter und/oder bereits bekannter Kombinationselemente einen ästhetischen Gesamteindruck hervorrufen, der im vorbekannten Formenschatz noch nicht vorhanden ist“, wie es dort heißt Jede „Playmobil-Grundfigur“ gilt seitdem als „künstlerische Individualität“. „Wir betreiben viel Forschung, um zu verstehen, was unsere Zielgruppe zum jetzigen Zeitpunkt interessiert.“ Karen Pascha-Gladyshev Firmensprecherin, zum Sortiment von Playmobil Ohne Horror und vordergründige Gewalt Im Spielzeugmuseum Nürnberg wurde im Jahr 1999 die Ausstellung „Winzige Weltmacht – 25 Jahre Playmobil“ gefeiert. In Zirndorf, also sozusagen KLEINE CHRONOLOGIE 1972 Geobra meldet das Patent für die 7,5 cm große Spielzeugfigur von Chef-Entwickler Hans Beck an. 1974 Die ersten Figuren: Indianer, Bauarbeiter und Ritter starten ihren Siegeszug in die Kinderzimmer. 1976 Die ersten weiblichen Figuren. 1986/87 Der Piratenkapitän ist das erste Männchen mit einem dicken Bauch. 1995 Der erste Weihnachtsmann. 2012 Eine schwangere Frau gehört ab sofort zum Sortiment. 2013 Wechselkleider und Röcke, mit denen die Figuren immer neu eingekleidet werden können. am Stammsitz, entstand ein „Playmobil Fun Park“, ebenso in Paris, Athen, Malta und Palm Beach in Florida. Es folgten mehrere Ausstellungen in deutschen Städten, alle gut besucht. Auch einen Kinofilm im Playmobil-Stil gibt es inzwischen. Playmobil ist nun eine Instanz, die „naturalistische Darstellung eines Menschen oder Menschentyps“, hieß es. Als Kunstwerk wurde es eingestuft, weil es sich auch unter eine eigene klare Präambel stellt: „Kein Horror, keine vordergründige Gewalt und keine kurzfristigen Trends.“ Playmobil bleibt also solide bürgerlich. Und gelegentlich wird Playmobil auch zum Spekulationsobjekt. So sorgte im letzten November ein PlaymobilMännchen des Landesamts für Umwelt in Bayern für Furore. Die eigentlich für die kostenlose Verteilung an Kinder gedachten Figuren fanden sich auf eBay und anderen Webseiten für Preise zwischen 50 und über 80 Euro – pro Stück. „RARITÄT: Playmobil 70620 Hochwasser Sondermodell Bayerische Wasserwirtschaft“, bewarb ein Anbieter die Figur mit weißem Helm und blauem „W“-Logo. Er verlangte 84,99 Euro. Das war freilich nicht der beabsichtigte Zweck: Die Playmobil-Figuren wurden nach Angaben eines LfU-Sprechers als Werbemittel für die Bayerische Wasserwirtschaft in Auftrag gegeben. So wurden die Figuren etwa bei Veranstaltungen zum Thema Hochwasserschutz an Schulklassen verteilt. Heute bevölkern nach aktuellen Unternehmensangaben mehr als 3,7 Milliarden Playmobil-Figuren Kinderzimmer auf der ganzen Welt. Mehr als 6600 Figurenvarianten seien seit 1974 entstanden, heißt es weiter. Hielten sich die 3,7 Milliarden Figuren an der Hand, reichten sie über 4,2 Mal um die Erde. FOTO: DPA FOTO: DPA Die bei Sammlern begehrte Figur zum Hochwasserschutz.

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